Geschichte
Geschichtlicher Überblick
Jetzendorf wurde erstmals 893 urkundlich erwähnt, als Graf Jezo seine Besitzungen an der Ilm gegen Besitztümer des Bischofs Waldo in Schrobenhausen vertauschte. In den folgenden Jahrhunderten wird Jetzendorf immer wieder in den verschiedensten Urkunden genannt, wobei die Gutsherren im Laufe der Jahrhunderte häufig wechselten.
Besitzer waren u.a. die Herren von Kamer, von Zillenhart, Graf Rechberg, Freiherrn von Stromer, Graf Lösch und ab 1812 die Freiherrn von Freyberg. In der Pfarrkirche sind noch verschiedene Grabsteine dieser Familien vorhanden, darunter besonders sehenswert im Presbyterium ein großer Grabstein aus rotem Marmor für Seyfried von Zillenhart, der von 1531 bis 1572 Besitzer der Hofmark Jetzendorf war.
Im Jahre 1524 wurde die hiesige Kirche, die vorher eine Filialkirche der Pfarrei Volkersdorf war, zur Pfarrkirche ernannt. Die heutige Form erhielt die Kirche erst 1843.
Erwähnenswert ist noch, dass Jetzendorf schon im Jahre 1582 einen Schulmeister hatte, der von den jeweiligen Gutsherren unterhalten wurde. Zu dieser Zeit gab es noch keine allgemeine Schulpflicht. Für die Bildung der Bevölkerung sorgten damals die Klöster und weit blickende Gutsherren.
Das Schloß, das Jetzendorf überragt, hat seine heutige Form in den Jahren 1613 bis 1617 unter Graf Rechberg erhalten. Der alte Teil des sog. Hochschlosses stammt allerdings aus früherer Zeit und war um ein ganzes Stockwerk und einen dreigeschossigen Giebel, dessen Böden als Getreideböden dienten, höher. Der Abbruch der oberen Geschosse, die das obere Ilmtal überragten, wurde 1840 notwendig, da das Gebäude vom Holzwurm befallen war. Zum Schlosskomplex gehören noch das Bräuhaus, wo bis 1971 Bier gebraut wurde, und die Stallungen.
Viele Jetzendorfer Bürgerinnen und Bürger verdienten früher ihr Geld als Mitarbeiter im Schloß.
Bald nach dem 1. Weltkrieg gründete Lorenz Wagner die Schuhfabrik LOWA, die immer noch als eine der bedeutendsten Sportschuhfabriken in der Bundesrepublik gilt. LOWA-Skischuhe und LOWA-Wanderschuhe sind in vielen Ländern begehrt.
Weiter soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Sport in Jetzendorf schon immer eine große Rolle spielte.
Bereits 1926 entstand in Jetzendorf eine der ersten Turnhallen des Landkreises. Michael Buchberger, der spätere Erzbischof von Regensburg, und Ludwig Buchberger, Bürgermeister nach dem 2. Weltkrieg bis 1970, waren die Erbauer der Turnhalle.
Neben dem Erzbischof gilt Karl Freiherr von Freyberg, erster Landwirtschaftsminister in Bayern und Mitbegründer der Bayerischen Raiffeisenorganisation, als bekannteste Persönlichkeit der Gemeinde Jetzendorf.
Jetzendorf, im Laufe der Geschichte immer schon Mittelpunkt des oberen Ilmtals, erfreut sich großer Beliebtheit bei Wohnungssuchenden.
Durch dosierte Siedlungspolitik soll jedoch versucht werden, den ländlich-idyllischen Charakter zu erhalten und damit zu sorgen, dass aus dem agilen Dorf keine Schlafstadt wird.
Aus Anlass des 1100-jährigen Bestehens im Jahre 1993 hat die Gemeinde Jetzendorf eine Chronik und eine Häuserchronikherausgegeben.
Auf 204 Seiten, mit zahlreichen Bildern gestaltet, vermittelt die Chronik „1100 Jahre Jetzendorf“ über die Kapitel Vor- und Frühgeschichte, Geschichte der Hofmark Jetzendorf und Jetzendorf im 19. und 20. Jahrhundert einen Eindruck über die Entwicklung des oberen Ilmtales.
Die Häuserchronik stellt auf insgesamt 440 Seiten die Geschichte der Anwesen in den Orten
- Jetzendorf,
- Priel,
- Volkersdorf,
- Eck
und der Weiler und Einöden
- Grubhof,
- Grünthal,
- Happertshofen,
- Kolmhof,
- Kreithof,
- Kremshof,
- Lindhof,
- Saxau,
- Thalhof,
- Thallern
- Voglsang
vor.
Die Chronik „1100 Jahre Jetzendorf“ kann zum Preis von Euro 17,50 € in der Gemeindeverwaltung Jetzendorf bezogen werden.
Max Emanuel, bayer. Kurfürst (1679 – 1726), hatte 1691 Baron Ferdinand Franz von Stromer das Cancellariat (Amt eines Kanzlers) zu Landshut verliehen. Daraufhin gratulierte das Kollegiat-Stift als Alten-Ötting (Altötting) und überreichte eine geschnitzte Kopie der Altöttinger Maria. Diese wurde zunächst in Landshut aufbewahrt, aber bald öfters wegen der bereits einsetzenden Wundertätigkeit in verschiedene Kirchen ausgeliehen.
Am 15. August 1713, dem Maria-Himmelfahrts-Tag, wurde auf Anregung des damaligen Jetzendorfer Schlossherrn Ferdinand Franz v. Stromer durch den Abt von Scheyern „in Begleitung eines zahlreichen Adels, vieler hergegangener Kreuze und etlicher tausend Personen“ eine Statue der Altöttinger Muttergottes auf dem nördlichen Seitenaltar aufgestellt. Sie wurde gefertigt aus einer Linde, die auf dem Kapellenplatz in Altötting gestanden hatte.
Da bis zu diesem Zeitpunkt in Jetzendorf noch keine Bruderschaft ansässig war, entschloss man sich, eine „Erz-Bruderschaft unserer Lieben Frau von Altötting“ dort einzuführen. Nach erfolgter Zustimmung der Marien-Bruderschaft in München wurde dieser 1712 die Bruderschaft in Jetzendorf mit allen Ablässen und Privilegien angegliedert, im Februar 1713 durch den Bischof Franz von Freising genehmigt und konfirmiert und am 15. August unter großer Beteiligung des Volkes feierlich in Jetzendorf eingeführt. Als Hauptzweck der Bruderschaft war in den Statuten die Erhaltung und Förderung des Glaubens genannt und sie sollte Andachten zu Ehren der Mutter Maria abhalten.
Voraussetzung für die Aufnahme war, dass der Bewerber am Tag der Einschreibung beichtete, die Kommunion empfing, alle verbotenen Bücher und ketzerische Schriften, die sich in seinem Besitz befanden, sofort vernichtete und das Glaubensbekenntnis ablegte. Der Zutritt zur Bruderschaft war allen Personen jeglichen Standes möglich und zwar ohne Leistung eines Geldbeitrages, ausser einem freiwilligen Opfer.
Grundsätzlich waren die wichtigsten Verordnungen, dass jedes Mitglied wöchentlich einen ganzen Rosenkranz beten und an Maria-Himmelfahrt und Lichtmeß in die Pfarrkirche von Jetzendorf zum gemeinsamen Gebet kommen musste.
Durch den Eintritt in die Bruderschaft wurden ein vollkommener Ablass gewonnen, weiter an jedem Marien-Festtag durch das Beten eines Rosenkranzes und den Empfang der hl. Kommunion, am 4. Fastensonntag, an Weihnachten und Pfingsten, bei der Wallfahrt nach Altötting oder Andechs und in ihrer Sterbestunde.
Tatsächlich geschehene Wundertaten, welche man freilich besser als „Gebetserhörungen“ bezeichnen müsste, waren z.B. Heilung von Geschwüren, Gelbsucht, Hilfe bei Entbindungen und Schmerzen aller Art, aber auch Hilfe bei der Suche nach verlorenen Sachen. In einem im Pfarrarchiv noch erhalten „Mirakelbuch“ sind innerhalb weniger Jahre 1212 solcher „Wunder“ und Gebetserhörungen niedergeschrieben. Noch Ende des 19. Jahrhunderts hingen viele Votivbilder in der Kirche. Sie wurden bei der Kirchenrenovierung 1903 entfernt. Es wurden aber auch von den betroffenen Gliedmaßen Wachsdarstellungen zum Bruderschaftsaltar gegeben oder Spenden in den Opferstock.
Hier zwei konkrete Beispiele:
„Maria Demelmayerin von Hirschenhausen thäte einen sehr hart und schweren Fall; kundte ein Viertl Stund sich nicht erhollen, weder reden: verlobt sich in Gemüth zu unserer lieben Frauen, wird erhört und gesund.“
„Bei der Feuersbrunst im Prielholz nahmen der Bräu, der Baron Stromerische Verwalter und der Jäger von Jetzendorf je einen Hut voll Waser, riefen die Muttergottes um Hilfe an, versprachen 2 Messen und etliche Rosenkränze, schütteten das Wasser in das Feuer und kurz darauf hörte das Feuer auf.“
Jahrzehnte hindurch kamen aus den umliegenden Orten viele Verehrer, ja sogar ganze Pilgerprozessionen, vor allem am Hauptfest der Bruderschaft Maria Himmelfahrt. So entstand das Problem der Verköstigung dieser vielen Wallfahrer. Sie empfingen ja alle an diesem Tag die Sakramente der hl. Beichte und der hl. Kommunion. Zum Empfang der hl. Kommunion musste man früher nüchtern sein, durfte also ab Mitternacht nichts gegessen und getrunken haben. Zunächst wurde diese Sorge für das leibliche Wohl von den einheimischen „Geschäftsleuten“ und Wirten übernommen. Allmählich sahen aber auch „Fieranten“, also wandernde Händler, hier eine gute Gelegenheit zum Geldverdienen, zumal die bäuerlichen Dienstboten zu diesem Tag meist auch schon ihr „Erntegeld“ ausbezahlt erhielten. So entwickelte sich im Laufe der Zeit der größte Eintagesmarkt Bayerns, dessen Verkaufsstände sich zu beiden Seiten der Straße vom Petershausener Ortseingang her bis zur Prieler Kreuzung erstrecken, also auf mehr als einen Kilometer Länge. Zu kaufen ist – damals wie heute – alles, von Speis und Trank über Spielwaren und Gebrauchsgegenstände verschiedenster Art bis hin zum größten Kitsch. Jedes Jahr ist ein großes Gedränge und Geschiebe und die Händler scheinen ein sehr gutes Geschäft zu machen. Die Zahl der Bewerbungen um Zulassung zu diesem Markt am „Frautag“ zeigt dies jedenfalls ganz deutlich. Der religiöse Ursprung und Sinn dieses Tages ist den meisten dieser Tausende von Besuchern freilich nicht mehr bewußt.
Quelle: 1100 Jahre Jetzendorf . Beiträge zu seiner Geschichte . Jetzendorf 1993